Freitag, 1. Juni 2007

Das Trolley-Problem


Eine kurze Suche nach möglichen Titeln für diesen Blog führte mich unter anderem zu - wie sollte es heutzutage anders sein - wikipedia. Und dort stieß ich auf ein interessantes Gedankenexperiment, etwas, womit ich mich an dieser Stelle gern häufiger beschäftigen werde und wozu ich jeden Interessierten einladen möchte.

Das Gedankenexperiment heißt "Das Trolley-Problem" (ob jeder es unter diesem Namen kennt, weiß ich nicht, aber es ist ein aus Literatur, Star Trek-Episoden und dergleichen weithin bekanntes Problem). Hier geht es darum, wie sich ein Mensch entscheidet, der vor die Wahl gestellt wird, mit einer Weichenstellung entweder eine Gruppe von 5 Personen vor einem heranfahrenden Trolley zu retten und dafür den Tod einer Einzelperson in Kauf zu nehmen, oder genau umgekehrt zu verfahren. Faszinierender- (oder sollte man sagen erschreckender-?) weise wählten bislang offenbar die meisten Probanden bei diesem Test den Tod der Gruppe - das Individuum steht uns eben näher als die anonyme Masse.

Man kann jetzt lang und breit über das Für und Wider eines solchen Gedankenexperiments streiten (wer von uns könnte tatsächlich sagen, wie er sich in einer solchen Situation verhält?) und darüber debattieren, was dies für die menschliche Ethik bedeutet. Das wird aber mit Sicherheit schon ausgiebig getan und muss hier nicht fortgesetzt werden, es sei denn, es wirft sich sonst jemand vor den Zug (was einzeln offenbar kein Problem wäre, aber bei größeren Gruppen zu falschen Weichenstellungen führen würde). Interessant ist aber die Frage, ob wir uns eigentlich nur in Bezug auf Menschen derart unlogisch verhalten.

Dazu ein Sonett (Nr. 90) von Shakespeare:
Then hate me when thou wilt; if ever, now;
Now, while the world is bent my deeds to cross,
Join with the spite of fortune, make me bow,
And do not drop in for an after-loss:
Ah! do not, when my heart hath 'scaped this sorrow,
Come in the rearward of a conquered woe;
Give not a windy night a rainy morrow,
To linger out a purposed overthrow.
If thou wilt leave me, do not leave me last,
When other petty griefs have done their spite,
But in the onset come: so shall I taste
At first the very worst of fortune's might;
And other strains of woe, which now seem woe,
Compared with loss of thee, will not seem so.

Sinngemäß besagt dieses Gedicht, dass das lyrische Ich von einem unbekannten Adressaten verlangt, dieser oder diese möge, wenn es denn ohnehin sein müsse, zu den schon gegebenen Sorgen des lyrischen Ichs auch noch das hinzufügen, was es vom Adressaten zu erwarten befürchtet. Und zwar jetzt gleich, und nicht erst später, wenn aktuelle Probleme bewältigt scheinen. Also: Die Unbill soll nicht Stück für Stück und gut verteilt den Charakter langsam mürbe machen, sondern lieber gleich gebündelt und mit voller Härte auf das gebeugte Haupt niederschlagen. Ergo wird auch hier der Ärger lieber in der Masse gesucht, als in Einzelportionen.

Genauso gehe ich gerade vor. Da ich ohnehin schon mehr Arbeit habe als ich bewältigen will, verbummele ich den heutigen Tag reichlich sinnfrei vor dem Rechner, statt mich Stück für Stück dem Ärgernis von Hausarbeiten und ähnlichem zu widmen. Damit schiebe ich also die Tagesportionen an Stress wieder solange gegen einen Termin, bis ich davon wie von einer Lawine überrollt werde und die Hälfte gänzlich liegen bleiben muss. Auch hier führen letztlich fehlgestellte Weichen langsam aber zielstrebig in die Katastrophe und schuld ist letztlich nur das menschliche Faible für Quantität statt Qualität. In diesem Sinne...